Herrn
Philipp Grunwald
Landesvorsitzender
Partei der Humanisten NRW
Meckenheimer Allee 108
53115 Bonn
23. Mai 2018
Ihr offener Brief vom 04.05.2018
Zukunft, Grundeinkommen und die Rolle der Gewerkschaften
Lieber Kollege Grunwald,
vielen Dank für deine Zuschrift. Ich habe den Eindruck, wir liegen in den Zielen gar nicht weit auseinander, aber wir sehen unsere Aufgabe auch darin, Koleginnen und Kollegen, die von ihrer Hände oder Köpfe Arbeit leben müssen, im Strukturwandel zu schützen oder anders gesagt, sie auch mitzunehmen und zwar möglichst ohne, dass sie arbeitslos werden. Alles andere würde bei unseren Mitgliedern auf pures Unverständnis stoßen.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Politik und Sozialpartnern eine intensive Diskussion über die Arbeit unter den Bedingungen der Digitalisierung geführt. Auch wenn die Technisierung oder Automatisierung in der Arbeitswelt nicht neu ist, stehen wir vor einer neuen Dimension der Veränderung.
Entscheidend ist deshalb, die Digitalisierung als einen Prozess zu verstehen, der von Menschen verantwortet wird und politisch gestaltbar ist. Beschäftigte und Unternehmen müssen gemeinsam Strategien für den Transformationsprozess entwickelnd und Gestaltungsmöglichkeiten für Gute digitale Arbeit erschließen. Wir wollen die Potentiale positiv nutzen und kämpfen dafür, dass die Digitalisierung nicht als Vorwand für einen weiteren Abbau von Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechten missbraucht wird.
Die Probleme können nciht durch Arbeitszeitverkürzung allein gelöst werden. Wir haben derzeit keinen Arbeitsmangel. Jede zweite Stelle, die derzeit entsteht, wird mit Personen besetzt, die aus dem Ausland zu uns kommen. Forscher weisen darauf hin, dass sich viele Arbeitsplätze verändern, aber uns geht nicht die Arbeit aus. Das kann in der weiteren Zukunft anders aussehen, dann müssen wir neu entscheiden.
Gewerkschaftliches Ziel ist, die digitale Transformation mit einer gemeinsamen Strategie zu meistern, um Beschäftigung zu sichern und zu fördern, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und eine gesellschaftliche Polarisierung zu vermeiden.
D.h. für uns, dass wir neben der Fortsetzung der Initiativen zur Stärkung der Tarifbindung und der verfassten Mitbestimmung Verbesserungen für folgende Kernbereiche brauchen:
- Arbeitszeitsouveränität und ortsflexibles Arbeiten in digitalen Zeiten stärken
- Verbesserung des Arbeitsschutzes insbesondere unter den Bedingungen der Digitalisierung
- Mitbestimmungsrechte stärken, auch bei Weiterbildung, Arbeitszeit, Entlohnungsmodellen, usw.
- eine Bildungsstrategie, die Beschäftigte beim Wandel durch ein Recht auf Weiterbildung mit nimmt und Chancen für beruflichen Aufstieg ermöglichen
- wirkungsvollen Datenschutz für Beschäftigte
- Schaffung eines Gestaltungsrahmens für neue Formen der Erwerbsarbeit wie digital organisierte Plattformarbeit
In diese Richtung muss der Sozailstaat weiternetwickelt und an veränderte Realitäten angepasst werden. Das b dingungslose Grundeinkommen (BGE) hingegen ist aus gewerkschaftlicher Sicht der falsche Weg.
Das BGE erscheint vielen Menschen sehr attraktiv, es besitzt eine hohe Strahlkraft. Das ist nicht verwunderlich, da das BGE als Alternative zu real existierenden Missständen präsentiert wird, die vielen unter den Näglen brennen und das BGE greift den berechtigten Wunsch vieler nach mehr Autonomie statt Fremdbestimmung auf.
Doch wir wissen nicht, was wir tatsächlich bekommen. Die Risiken, dass der Sozialstaat zerschlagen wird und nur eine Minimalversorgung übrig bleibt, die immer wieder von der Politik nach Kassenlage verändert werden kann, sind zu groß, als dass wir uns darauf einlassen könnten.
Das BGE hat gravierende Auswirkungen auf die gewerkschaftliche Arbeit und kann wie ein gewaltiger Kombilohn wirken, verbunden mit dem Abbau von Arbeitnehmerrechten und Mitbestimmung. Schlimmstenfalls wird der Sozialstaat zerschlagen und die Menschen erhalten Brosamen von denen niemand leben kann.
Auch die Risiken der Finanzierung sind völlig ungeklärt. Die Wahrscheindlichkeit, dass nicht die Reichen und Vermögenden bezahlen, sondern die Beschäftigten mit mittleren Einkommen ist groß. Ein BGH (sic!) führ zu gewaltigen Umverteilungsprozessen, die nur schwer beherrschbar und der ständigen „Willkür“ der Politik unterliegen.
Statt die Spaltung der Menschen in Arbeitsplatzbesitzer und Bezieher von Grundeinkommen als unvermeindlich hinzunehmen, muss das Ziel sein, dass alle die Chance bekommen sollen, erwerbstätig zu sein – aber zu guten Bedingungen. Dafür werden wir streiten.
Freundliche Grüße,
Reiner Hoffmann